Autofahren in Rom

Wie geht Autofahren in Rom?


Ein Glosse von KARL HOFFMANN

Frage, wie geht das Autofahren in Rom? Ganz einfach, man nehme den Autoschlüssel, begebe sich zu seinem Fahrzeug , sperre es auf, setze sich hinters Lenkrad und lasse den Motor an. So nun schauen wir noch mal in den Spiegel, denn eine kleine Kontrolle des Outfits ist im schicken Italien immer angebracht und dann, ganz locker den ersten Gang einlegen, ganz lässig das Lenkrad drehen, auf keinen Fall den Blinker bestätigen, so was irritiert nur in Rom, und dann mit Karacho raus aus der Parklücke und hinein ins Getümmel. Via Salaria, zweispurig Richtung Innenstadt - lächerlich da passen mindestens drei nebeneinander, runterschalten, Gas geben, leicht die Hupe bestätigen und dann entweder links oder rechts an den Vordermännern vorbei, am elegantesten ist aber die zentrale Lösung und also ab durch die Mitte.


Ampel gerade voraus, zu dumm, sie steht auf Grün: da heißt es aufpassen, denn in Rom fährt man grundsätzlich bei Rot über die Kreuzung. Prompt ein Fiat 500 von links, biegt ein, bleibt stehen. Mitten auf der Kreuzung. Managgia la madonna, mortacci tuoi, porco diavolo, rechts ausweichen, wieder eine Ampel, diesmal gottseidank rot. Was will der da hinten? Überholt links, fährt über die rote Ampel, um direkt nach rechts einzubiegen, benützt dabei auch noch frech seinen Blinker, natürlich den linken, ausgebremst - von hinten stürmt die Meute vorbei in die Engstelle, rechts die Villa Ada, links die spitz zulaufende Viererreihe von Autokühlern. Ziel: die einzige noch übrige Fahrbahn, eng einfädeln im 10-Zentimeter-Takt.


Ma, Signora, si sbrighi, ein bißchen schneller, wenn man bitten dürfte! ma é possibile? Nun schau die diesen Rollerfahrer an, kein Helm, keine Bremsen, kein Nummernschild, schießt der doch einfach quer, hält den ganzen Verkehr auf, Signora, er ist schon weitergefahren, andiamo, vorwärts, so, jetzt Gas, da kommt schon wieder einer von hinten, der an der engsten Stelle überholen muss, also zwei Rotlichter auf einmal, das geht schon bald zu weit! Was macht der 500er Fiat? Er schiebt sich doch glatt frech durch sämtliche Lücken bis vorne zum Stoppschild und schwupp! ist die Signora um die Ecke verschwunden.


Gas, gerade aus, dann links, kein Blinker. Vorbei an der Villa Borghese schnell durchs Stadttor, ah Via Veneto, mondänes Leben, Prominentenhotels und Bars und - ein Verkehr! Warum die Leute in der Stadt nicht die öffentlichen Verkehrsmittel benützen? Na hör mal, muss der blöde Bus sich jetzt da reinzwängen, runter zur Piazza Barberini, jetzt wird’s interessant.
Taxi von links, Bus von rechts, Moped von hinten, Fußgänger vorne, natürlich bei Rot über die Straße, vorwärts gedrängt, Polizist winkt, Taxi hupt, Bus gibt Gas, Fußgänger bremst, Mopedfahrer überholt, Hubschrauber fliegt tief überm Platz, links abbiegen, rechts abbiegen die Via Nazionale hinunter, Krankenwagen, Platz machen. da ist doch wieder die Signora, aus dem Weg - so, jetzt sind sie alle verkeilt - Piazza Venezia, ein Polizist auf einem Podest inmitten eines qualmenden Infernos. Aus vier Richtungen strömen Busse, Mopeds, Motorräder, Politiker in Eskorten, Autos, Dreiräder, Fahrräder, na, di haben Mut, Pferdekutschen mit japanischen Touristen ängstlich dreinblickend, in ungefähr jenem Punkt zusammen, wo der Polizist steht. Wird’s ihm zu brenzlig, dann geht er. Geradeaus weiter, bald sind wir am Ziel. Engstelle, rechts leicht angeschrammt, vorne nur wenig angebufft, der Tiber liegt vor uns - Brücke drei-, ach was sag ich, siebenspurig hinein in die Via della Concializaione. Zweiter, dritter Gang, vierter Gang, ein letztes Rotlicht - Signora, nun nehmen sie doch endlich ihren Fünfhunderter von der Fahrbahn, da liegt er vor uns, der Petersplatz, groß und rund und absolut frei: ein riesiger Parkplatz wäre das mit Segen von höchster Stelle mit Glocken und Mönchen und Säulen und Brunnen und - leider - absolutem Halteverbot, also bitte weiterfahren, nicht stehenbleiben, andiamo, andiamo. Das ist das Schlimmste: wenn wer einmal in den römischen Verkehr gerät, kommt praktisch nie wieder zum Stehen.


Februar 1996

Zurück zu den Glossen
Share by: