Während andere Völker sich von Schinken und Brot, von Braten, Bier und Champagner nährten, blieb den hungrigen Südländern oft nur der kalorienarme Stolz, Stolz auf die Vergangenheit, auf die alten Römer, die Kunst, die Päpste, die Heiligen, die Traditionen. Nach dem Motto: ein Fest zur rechten Zeit lässt vergessen Kummer und Leid – werden deshalb in Italien seit jeher immer irgendwo umfangreiche Vorbereitungen für grandiose Feierlichkeiten getroffen.
Wobei die soziale Notlage der beteiligten Bevölkerung im umgekehrten Verhältnis zur Pracht der Feste steht. Beispiel das von massiver Arbeitslosigkeit geplagte Palermo: zur Ausrichtung des Umzugs samt Feuerwerk zu Ehren der Stadtheiligen Santa Rosalia, im Volksmund etwas scheinheilig Festino, ein Festchen genannt, kürzt die Stadtverwaltung den Etat für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und keiner hat was dagegen. Der Mensch lebt schließlich nicht um zu arbeiten, sondern arbeitet, falls er einen Job hat. Und leben tut er in jedem Fall. Weil solche Feierlichkeiten vor allem auch dem Seelenheil dienen, kommt man vielerorts mit einem Festtag nicht aus.
Der Heiligen Klara widmen die Bewohner von Catania drei Tage, an denen die Stadt ein Riesenrummel ist. Die Regatta von Venedig, der berühmte Palio von Siena ,das sind Feste, auf die sich die Bürger praktisch das ganze Jahr über vorbereiten. Aber natürlich gibt es auch ernsthafte Feste. Es müssen gefeiert werden in chronologischer Folge: der Gründungstag der Stadt Rom, der Sieg gegen Hannibal, die von Löwen im Kolosseum gefressenen Märtyrer, der Einfall der Langobarden, die Grundsteinlegung des Petersdoms, die Erfindung der Pizza, der Nationalheld Garibaldi – mehrmals - , die Vereinigung des Landes, die Trennung von Kirche und Staat, das erste FIAT-Automobil, das Ende des Faschismus, die republikanische Verfassung, der größte Trüffelpilz, das Wunder des heiligen Gennaro in Neapel – ebenfalls mehrmals - es wird gedacht der Entführung von Politikern, der Ermordung von Ermittlungsrichtern im Kampf gegen die Mafia, man würdigt die Helden der Feuerwehr, der Olympiamannschaft, und der Strandaufsicht. Die oft wechselnden Regierungen sorgen für eine sinnvolle Auslastung der prachtvollen neoromanischen Kostümträger mit ihren Scipio- Helmen und den funkelnden Schwertern, sie verleihen allen offiziellen Zeremonien auf dem Kapitols-, Quirinals- Parlaments- und sonstigem römischen Hügel jenen Hauch von Theatralik, der daran erinnert, dass das Leben bei allem Ernst doch nur ein Spiel ist. Blaskapellen tönen, Medaillen werden vergeben, Würdenträger gewürdigt und Sieger geehrt.
Und dann geht es zum Essen, denn die aus der Armut geborenen Feste waren oft die einzige und immer die beste Gelegenheit, sich gehörig den Bauch vollzuschlagen. Sie sorgten aber auch dafür, dass die Italiener die wohl erfolgreichsten Brückenbauer der Welt wurden. Fällt ein Feiertag auf den Donnerstag dann baut man sich eine Brücke, Ponte genannt, bis zum Sonntag, das macht vier freie Tage. Besonders waghalsige Konstrukteure hängen noch den vorangehenden Montag und Dienstag und sogar das zuvor liegende Wochenende dran, ein Ponte von beachtlicher Spannweite. Als die Wirtschaft unter der Last all dieser Brücken zusammenzubrechen drohte, wurden einige Feiertage abgeschafft. Aber grundsätzlich wollten auch die Unternehmer nichts ändern an dem alten römischen Grundsatz: panem et circensis . Brot und Spiele braucht die Belegschaft, damit sie nicht streikt, was der Produktion viel mehr schaden würde. Und längst sind die Feiertage ja zu einem ernsthaften Business geworden, mit traumhaften Zuwachsraten und Gewinnspannen. Feste organisieren bringt heutzutage mehr als feste arbeiten.