Es handelt sich um einen bisher wohlgelittenen Intendanten, Carlo Fontana, der seit gut dreizehn Jahren tatkräftig mithilft um der Mailänder Scala den Weltruhm zu bewahren. Bisher schien es eine mustergültige Ehe sein. Jene zwischen Fontana und der Diva, dem Operndirektor Riccardo Muti. Der eine verwaltete das Haus, der andere die Einrichtung, sprich die Musik. Und brachte Chor und Orchester mit immer neuen Produktion zu immer höheren Sphären des Erfolgs. Doch plötzlich gibt es Knatsch. Muti verlangt die Scheidung und in der Klemme steckt jetzt vor allem der Bürgermeister von Mailand, der versteht zwar wenig von der Oper, aber ist kraft seines Amtes Präsident jener Stiftung, die das berühmte Opernhaus, das zur Zeit auch noch umgebaut wird, lenkt und leitet. „So kanns nicht weitergehen“, tönt Muti aus dem fernen Japan, wo er wieder mal eine triumphale Tournee veranstaltet.
Die Rollen scheinen vertauscht. Der Operndirektor spielt den bösen Gessler, der Intendant findet sich in der undankbaren Rolle des Sohnes mit dem Apfel, der nun vom Bürgermeister Albertino alias Tell abgeschossen werden soll. Doch der Intendant spielt nicht mit. Carlo Fontana pfeift auf den Apfel, sprich eine Degradierung zum Vizepräsidenten der Theaterstiftung, wo er absolut nichts mehr zu sagen hätte und ist bereit, zum Arbeitsrichter zu gehen, um postwendend gegen eine Vertragsauflösung zu klagen, die nicht nur verfrüht ist, sondern nach seiner Meinung auch völlig ungerechtfertigt. Und im übrigen: nachdem in den vergangenen Jahren die Theaterleitung jeweils einstimmig beschlossen habe, müssten sich gefälligst alle einen Apfel auf Haupt setzen lassen und gegebenenfalls gemeinsam der Armbrust des Giganten Riccardo Muti zum Opfer fallen.
Dem ist die gute alte Scala zu langweilig und vor allem zu knauserig geworden. Das Programm werde zu armselig, die Scala riskiert ihren Ruf, meint Muti und schielt dabei auf die Wiedereröffnung im Dezember nächstes Jahres, die nach seinem Willen zu einem spektakulären Weltkulturereignis werden soll. Prunk vom Stile auch des Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, dessen rechte Hand in der Theaterstiftung sitzt und die grandiosen Planungen der Diva Muti von Herzen unterstützt. Und natürlich mit allen Mitteln verhindern will, dass Muti der Heimatstadt Berlusconis den Rücken kehrt. Lieber opfert man den Knaben mit dem Apfel, auch wenn’s eine Stange Geld kostet.