Rowland_Interview

Von einem der wegging, um Musik zu machen

Ein Interview von Karl Hoffmann mit John Rowland, englisch-italienischer Musiker und Komponist, der seit mehr als 20 Jahren in Palermo lebt. Über sein Leben, seine Musik und welche Gemeinsamkeit Hall London und Palermo haben.


Karl Hoffmann: Buon giorno John, wie kommt es, dass du hier in Palermo gelandet bist, am südlichen Ende von Europa?
John Rowland: Meine Frau und ich waren in den 90ger Jahren ein paar Mal im Urlaub auf Sizilien und haben uns sofort in die Insel verliebt. Sie hat damals an der Universitaet in London Englisch unterrichtet. Eines Tages kam sie nach Hause und erzaehlte dass es in Palermo einige Sprachschulen geben wuerde. Ich sagte dass ich sofort meine Koffer packen und von London nach Palermo ziehen wuerde und das haben wir dann auch gemacht.


Ihr lebt in einem historischen Stadtviertel, dem Ballaro. Mit einigen Problemen, armen Leuten und vielen Kindern. Erinnert dich das an deine Ursprünge?
Nicht wirklich. Ich bin in einem ruhigen Viertel in Nordwest London aufgewachsen aber meine Mutter kam aus Hall im Norden von England. Das Leben dort ist anders als in London. Die Leute sind gesprächiger und offener. Palermo erinnert mich an Hall. Hier kann man auch mit jedem auf der Straße sofort ins Gepräch kommen. Ich denke deshalb habe ich mich hier sofort zuhause gefühlt.


Wie kamst du dazu, Gitarre spielen zu lernen? Gabs da Vorbilder in der Familie?
Meine Eltern sind in den 1920iger Jahren geboren. Viele Leute dieser Generation machten Musik. In vielen Haushalten gab es ein Klavier. Meine Mutter konnte alles spielen, solange es in C war, und mein Vater spielte das Akkordeon. Er hat mir beigebracht wie man Mundharmonika spielt als ich etwa 7 Jahre alt war. Als ich in der Schule war hat mir ein Freund ein paar Akkorde auf der Gitarre gezeigt und so ging es dann weiter.


Und dann ging es ziemlich steil aufwärts etwa 20 Jahre lang bist du mit vielen Bands und Musikern um die halbe Welt getourt. Ein bewegtes Leben?
Von Anfang der 80ger bis zu den 90ger Jahren spielte ich in verschiedenen Garage Punk Bands, unter anderem in The Cannibals, the Vibes und auch in The Purple Things, die ein bisschen mehr psychedelisch angehaucht waren. Anfang der 90ger haben ich Billy Childish und Bruce Brand kennengelernt und bin Bassist der ‘Thee Headcoats’ geworden mit denen ich viel auf Tour unterwegs war, oft auch in Deutschland, in Amerika und Japan. Ein bewegtes Leben? Ja das kann man wohl sagen, aber ich hatte immer noch andere Jobs um mich über Wasser zu halten. Ende der 90ger wurde ich freiberuflicher Schreiner und hatte somit mehr Freiheit, um auf Tournee zu gehen.

Als wir uns vor fast 20 Jahren kennen lernten, hast du wenig von deiner Vergangenheit erzählt. Hat dich das nicht mehr interessiert?
Doch, das hat mich schon weiterhin interessiert aber die Garagepunk Szene ist relativ klein und kaum einer hier in Palermo kennt die Bands, in denen ich gespielt habe. Außerdem sind die Engländer dafür bekannt, dass sie nicht gern über sich selbst sprechen.

Ich wusste nur von dir, dass du störrischen sizilianischen Schülern Englisch- und Gitarreunterricht erteiltest. Und natürlich ein Künstler auf der Gitarre warst. Aber nie hätte ich gedacht, dass du noch viele versteckte Perönlichkeiten in dir getragen hast: „ Johnny Mother Johnson, Tub und sogar ein Sir Tubbe waren einige deiner Künstlernamen, wie ich inzwischen erfahren habe. Ein Multitalent?
Ich war ein großer Fan von Wilko Johnson aber Johnny Johnson klang ein bisschen langweilig. In der Fernsehserie „Mit Schirm, Charme und Melone“ gab es einen großen, fetten Mann der ‘Mother’ genannt wurde und so dachte ich ‘Warum nicht’? Tub war eine andere Geschichte. Billy und Bruce nannten mich so. Tub war der Spitzname des englischen Komiker Tony Hancock in seiner Radio- und Fernsehsendung. Wir waren alle große Fans von ihm. Aber ich denke, ich bekam den Namen ‘Tub’, auf Deutsch ‘Fässchen’, auch weil ich, im Gegensatz zu Bruce und Billy, mehr als 55 Kilo wog.


Dass du ein Multitalent bist habe ich schließlich herausgefunden, als ich einen Dokumentarfilm über mein kleines Heimatdorf in den Marken machen wollte und dich fragte, ob du die Musik dazu komponieren möchtest. Erst hast du gezögert, warum?
Ich hatte immer gedacht, dass richtige Komponisten in der Lage wären, im Alter von 6 Jahren eine Symphonie zu schreiben. Als ich angefangen habe, mich für bestimmte Filmkomponisten zu interessieren, so wie zum Beispiel Bernard Herrmann, Leonard und Elmer Bernstein oder Max Steiner, dachte ich mir aber, dass Filmmusik zu komponieren etwas wäre, das ich auch mal probieren könnte. Ich war mir anfänglich aber nicht ganz sicher, ob es mir gelingen würde, etwas Passendes für deinen Dokumentarfilm zu schreiben.


Oh – das hat wunderbar geklappt. Wir haben dann noch zwei andere Dokus zusammen gemacht, über ein Dorf in Sizilien und ein Stadtviertel in Palermo.
Ja. Es hat großen Spaß gemacht mit Dir zusammenzuarbeiten. Das waren meine ersten Aufträge und ich habe dabei sehr viel gelernt. Ich bin Dir für diese Chance sehr dankbar.

Drei kleinen Dokumentar-Filme, die nur wenige Leute gesehen haben, aber doch für dich eine tolle Wirkung haben. Du hast inzwischen eine internationale Karriere als Filmkomponist begonnen. Und nicht nur das: du spielst inzwischen wieder erfolgreich mit deinen alten Bandmitgliedern, machst Studioaufnahmen. Ein zweites Leben?
Ja. Es ist wirklich toll. Wir sehen uns ein paarmal im Jahr und spielen auf Festivals. The Headcoats haben letztes Jahr auch ein Album gemacht. Ein zweites Leben? Mein erstes ist ja noch nicht zu Ende.


Solltest du es noch bis Hollywood schaffen – unter welcher Flagge würdest du den Oscar entgegennehmen, schließlich hast du inzwischen ja auch die italienische Staatsbürgerschaft?
Unter der mexikanischen!

Palermo Februar 2024

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