Italiens Minister für die Kultur, Ferdinando Facchiano, war dienstlich in New York unterwegs. Im berühmten Auktionshaus Christies ersteigerte er ein Gemälde aus der ehemaligen Privatsammlung des verstorbenen philippinischen Diktators Ferdinando Marcos: ein Bild von Raffaele Sanzio, das die heilige Katharina darstellt.
Die mit Steuergeldern finanzierte Rückkehr des 1503 geschaffenen Ölbildes war eine kleine Sensation, schließlich erlaubt der schmale italienische Kulturetat keine großen Sprünge. Und die umgerechnet 2,7 Millionen Mark , die der Kulturminister für den alten Meister in New York auf den Tisch legen musste, war das Höchste der Gefühle. Mehr war für den Geldbeutel des Ministers unzumutbar. Das hat wiederum die Bürger von Mantua, eine geschichtsträchtige Stadt in der Poebene, maßlos geärgert. Sie wollten auf derselben Auktion einen echten Tizian heimholen, ein Portrait von Giulio Romano, Schöpfer des berühmten Palazzo Te, eines der Wahrzeichen von Mantua. Doch weil der Minister nur an dem Raffael interessiert war, wurden die Mantovaner von einem Schweizer Galeristen um 200000 Mark überboten . Einem Ärger folgte der nächste: der Minister bestimmte die Uffizien in Florenz als neue Heimat des Bildes von Raffael, wo er beim Aufhängen eine besonders gute Figur zu machen hoffte. Eine vor allem publikumswirksame Entscheidung, die prompt auf heftigen Widerstand stieß: Der Kulturreferent von Urbino, einer besonders schönen mittelalterlichen Stadt in den Marken nahe der Adria, reklamierte den Raffael für sich. Mit gutem Grund: Urbino ist nämlich zufällig die Geburtsstadt des berühmten Malers. Und, welche Schande: sie beherbergt kein einziges seiner Gemälde. Eine Palmenmadonna, die vor ein paar Jahren in Südamerika aufgetaucht war und einige Zeit in Urbino hing , stellte sich als falscher Raffael heraus. Kurz und gut: der in New York ersteigerte Raffael müsse nach Urbino. Dagegen hat sich nun völlig unerwartet der Bürgermeister von Perugia in Umbrien verwahrt. Zwar seien die Uffizien ein würdiger Ausstellungsort für den Raffael und – ja – Urbino sei natürlich die Geburtsstadt des Malers. Aber das Gemälde selbst habe er doch während seines Aufenthaltes in Perugia gemalt. Hier und nirgendwo anders dürfe das Gemälde seine neue Heimstatt finden.
Der Streit dauert noch an. Bisher stillgehalten haben immerhin die Bürger von jenseits des Mittelmeeres. Die dargestellte Heilige ist eindeutig die von Katholiken besonders verehrte Märtyrerin Katharina von Alexandrien in Ägypten. Ob die Arme sich am Ende noch vierteilen lassen muss bleibt abzuwarten. Was eine harmlose Versteigerung für Folgen haben kann….
Januar 1991, HR
(Raffaels Heilige Katharina von Raffaele Sanzio ist heute im Palazzo Ducale von Urbino ausgestellt)
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